Der Bezirk Schwaben hat seinen Haushalt für 2025 beschlossen. Der Haushalt umfasst mit 1,1 Milliarden Euro eine neue Rekordsumme und kann nur ausgeglichen werden, indem der Umlagesatz von 21,2 auf 25,0 Prozent angehoben wird.
Die SPD-Fraktion hat - wie alle anderen demokratischen Fraktionen - dem Haushalt zugestimmt. In seiner Haushaltsrede sparte Fraktionsvorsitzender Volkmar Thumser jedoch nicht mit Kritik am Freistaat Bayern, der im Bereich der Förderschulfinanzierung einen Teil seiner Aufgaben auf die Bezirke abwälze.
Im Folgenden die Haushaltsrede von Volkmar Thumser, leicht gekürzt im Wortlaut:
Aus meiner Sicht war der 18. September wichtigste Tag für den Bezirk Schwaben im Jahr 2024. An diesem Tag wurde das Bezirksmuseum in Kaufbeuren feierlich eröffnet. Kernstück des Museums sind die Krankenakten der Kreisirrenhäuser, später Nervenkrankenhäuser Irsee, Kaufbeuren und Günzburg – seit der Gründung, bei Irsee 1849 bis in die 50er Jahre des 20. Jahrhundert. Die Feier wurde verknüpft mit der Vorstellung eines Buches und über das Lebenswerk von Michael von Cranach. Michael von Cranach war seit 1980 bis 2006 der Chefarzt des BKH Kaufbeuren. Er brachte die Erkenntnisse der Psychiatrie-Enquete des Deutschen Bundestags nach Schwaben und machte aus einem Verwahranstalt ein modernes Krankenhaus. Und er begann mit der Aufarbeitung der Verbrechen, die von 1933 – 1945 in den Krankenhäusern Irsee und Kaufbeuren von den Psychiatern unter der Herrschaft der Nationalsozialisten begangen wurden. Michael von Cranach hielt selbst eine kurze Rede; er hatte die Krankenakte von Ernst Lossa dabei, aus der er zitierte. Ihr hafte „der Geruch der Täter“ an, der Ärzte, die das Leben des 14-jährigen Jungen als „lebensunwert“ eingestuft und seine Tötung beschlossen hatten. Das Buch heißt „Konstruktive Empörung“ und ich empfehle es jedem Kollegen und jeder Kollegin als wichtiges Werk über die ruhmreiche Geschichte des Bezirks Schwaben.
Und nun zum Haushalt 2025: Die Haushaltssatz 2025 enthält zum ersten Mal seit vielen Jahren einen drastischen Anstieg des Umlagesatzes. Das ist in einer Zeit der knappen Kommunalfinanzen gewiss hart für kreisfreie Städte und Landkreise. Ist es ein Anlass für konstruktive Empörung? 1. Vor einem Jahr hat der Bezirkstag mit großer Mehrheit den Umlagesatz drastisch gesenkt, von 22,7 auf 21,2 Punkte, um den schon damals finanziell knappen Landkreisen und kreisfreien Städten zu helfen. Der Bezirkstag glaubte damals, dazu in der Lage zu sein, weil die Rücklage einen Rekord von 98 Mio. € erreicht hatte, deren Abschmelzen geboten war. Dabei haben wir – selbst Ende Januar 2024 – noch nicht die Dynamik der Ausgaben erkannt. Die Anhebung des Umlagesatzes um jetzt 3,8 Punkte macht zunächst einmal die Absenkung des Vorjahres rückgängig. Dann aber enthält sie gegenüber 2023 eine („Netto“-)Anhebung um 2,3 Punkte und die nächste Anhebung für 2026 ist schon absehbar.
Der Haushalt ist geprägt von Ausgabensteigerungen in zentralen Aufgabengebieten des Bezirks. Eingliederungshilfe, Assistenz in besonderen Wohnformen Eingliederungshilfe, Hilfe zur Beschäftigung im Arbeitsbereich (WfbM) Eingliederungshilfe, Teilhabe zur Bildung und Stationäre Pflege in Einrichtungen. Gemeinsame Gründe für die Ausgabensteigerungen sind die Tarifabschlüsse der letzten Jahre in den Pflege- und Erziehungsberufen. Es liegt mir fern, mich darüber zu empören: Als während der Corona-Pandemie die Pflegekräfte als „systemrelevant“ und „Leistungsträger“ erkannt und beklatscht wurden, sagten viele: "Klatschen allein genügt nicht“ und forderten eine bessere Entlohnung. Und die schuldete die Gesellschaft auch den Pflegekräfte und Erzieher im Vergleich mit anderen Berufsgruppen. Sie hatten noch ein wichtiges Argument, nämlich, dass es sich um Mangelberufe handelt, gerade angesichts der „demographischen Entwicklung“, mit der sich der Bezirk bereits 2018/20 in einer Arbeitsgruppe befasst hatte. Es war zu befürchten, dass irgendjemand die Tarifsteigerungen und Verbesserungen bei freien Tagen, mehr Urlaub, weniger Arbeitszeit würde zahlen müssen: Es sind in Bayern vor allem die Bezirke.
Zur Haushaltsstelle persönliche Assistenzen: Sind Assistenzleistungen für Menschen mit Behinderungen in eigenen Wohnungen oder inklusiven Wohngruppen also stets teurer? Im Gegenteil: Auf einem Treffen im November, haben wir inklusive Wohngruppen kennengelernt, die nur von Montag bis Freitag und nur einen Teil des Tages eine Assistenz in Anspruch nehmen; eine Gruppe sogar nur einmal die Woche. Menschen, die so selbständig leben können, diese Chance zu geben, ist also nicht nur ein Gebot der UN-BRK, sondern auch der fiskalischen Vernunft.
Jahrelang waren die Leistungen zur Beschäftigung im Arbeitsbereich WfbM die zweitgrößte Position; dieses Mal stehen sie (nur) auf Platz 3. Es handelt sich um eine seit 60 Jahren erprobte und erforderliche Art der Beschäftigung, die zu einer geregelten Tagesgestaltung (und zum Glück) vieler Menschen mit Behinderungen beiträgt, und – nebenbei – einen Wirtschaftsfaktor für den Standort Deutschland darstellt.
Zweitgrößte Position ist nun die Eingliederungshilfe – Teilhabe zur Bildung mit 126 Mio. €. Darin stecken allein 47 Mio. € für „Individualhelfer“, umgangssprachlich „Schulbegleiter“, der größte Steigerungsposten in den vergangenen Jahren. a) Individualhelfer in Regelschulen sind im Zug der Inklusion eingeführt worden. Die Eltern dürfen nach Art. 41 Abs. 4 EUG ihr Kind an der Sprengelschule, einer Schule mit dem Schulprofil „Inklusion“ oder einer Förderschule anmelden. Eltern, die einen der ersten beiden Wege wählen, sind nicht dafür zu kritisieren. Im Gegenteil bedeutet dieser Weg die Chance, von dem traditionellen Weg der Behindertenhilfe abzugehen, bei dem nach der Förderschule die WfbM, und das Wohnheim folgen. Inzwischen sind es aber gar nicht mehr unbedingt die Eltern, die die Wahl eines inklusiven Schulwegs treffen. Förderschulen mit Schwerpunkt „Geistige Entwicklung“, wie etwa das Förderzentrum Brunnenschule in Königsbrunn, müssen Kinder für die Eingangsklassen wegen Überfüllung abweisen. Mit der Folge, dass die Kinder in ihren Sprengelschulen beschult werden müssen, ob die Eltern das wollen oder nicht. Dazu sind Schulbegleiter erforderlich. b) Allerdings arbeitet etwa die Hälfte der Individualhelfer gar nicht an den Regelschulen, sondern an Förderschulen. Grund ist, dass der besondere Förderbedarf von den Förderschulen nicht ausreichend gedeckt werden kann. Die Förderschulen haben zwar auf dem Papier einen guten Personalschlüssel, in der Praxis fehlt es aber hinten und vorn – besonders weil die Sonderpädagogen seit jeher mindestens zwei (manchmal drei) Klassen betreuen müssen. Deshalb ist es gang und gäbe, dass Förderschulen (vor allem für Kinder mit Autismus-Spektrum-Störungen) Schulbegleiter beantragen – und bekommen. c) Damit erfüllen die Bezirke durch die Finanzierung der Schulbegleiter staatliche Aufgaben. Durch das „Poolen“ können zwar die Verhältnisse praktisch verbessert und die Kosten etwas reduziert werden. Dennoch ist es höchste Zeit, dass der Freistaat als Kostenträger der Förderschulen seine Aufgabe besser erfüllt. Das würde die Bezirke auch finanziell entlasten. „Konstruktive Empörung“ also gegen die Förderschulpolitik des Freistaats Bayern, die seit Jahrzehnten auf eine Entlastung auch und gerade der Förderschulen durch die Bezirke baut.
d) Damit gibt der Bezirk allein 47 Mio. € für die staatliche Aufwendung der Schulfinanzierung aus; an dieser Stelle gehe ich noch gar nicht auf die Mitfinanzierung der SVE (Schulvorbereitenden Einrichtungen) durch den Bezirk ein.). Hier relativiert sich der „Rekordbetrag“ von ca. 174 Mio. € Zuweisung durch den Freistaat Bayern nach Art. 15 FAG. Bevor man über die Überforderung des Sozialstaats debattiert, muss auch auf den Tisch, dass der Freistaat zu dieser Überforderung selbst beiträgt, indem er einen Teil seiner eigenen Aufgaben auf die Bezirke abschiebt.